Wer in den sozialen Medien unterwegs ist oder einen Blog betreibt, verspürt in den letzten Tagen auch den großen Drang etwas zur weltpolitischen Lage zu schreiben. Selbst wenn er sonst nur alle paar Monate etwas postet. Man will sich positionieren und etwas zur Diskussion beitragen. Nur was? Was könnte man sagen, was nicht schon von 1.000 Anderen bereits gesagt wurde? Welchen neuen Blickwinkel könnte man auf die schrecklichen Geschehnisse haben? Und wie kann man die ganzen Anti-Kriegsfloskeln umschiffen, die man schon Tag täglich zu hören bekommt?
Gar nicht.
Und das ist irgendwie auch okay. Denn am Ende geht es um dieses Gefühl das in einem brodelt und einen nicht loslässt. Wir haben Krieg in Europa. Nicht mehr, und nicht weniger. Ein Nachbarland eines Nachbarlandes wurde brutal angegriffen. Viele Menschen sterben. Wem es möglich ist, der ist auf der Flucht. Für die meisten Mitteleuropäer meiner Generation waren solche Bilder immer sehr weit weg. Wir kannten Sie aus dem Fernsehen. Sogar aus den Nachrichten. Aber da ging es um Länder, die für uns – zumindest gefühlt – auf anderen Planeten lagen. Mindestens aber auf anderen Kontinenten.
„Make love not war“ und „give peace an chance” waren die naiven Parolen unserer Eltern. Überbleibsel der Alt-68-Bewegung. Ich denke bei solchen Slogans an langhaarige Hippies, die bekifft und in bestickte Nachthemden gehüllt um kleine Lagerfeuer in Woodstock tanzen.
Und jetzt? Jetzt wünsche ich mir selbst etwas von diesem Optimismus, mit dem diese „Verrückten“ glaubten, die Welt verändern zu können. „Imagen all the people, living life in peace.“
Die Bilder, die uns täglich erreichen sind nur schwer zu ertragen. Und wir ahnen, dass sie möglicherweise nur ein Vorgeschmack auf das sein könnten, was uns noch erwartet. Als die Pazifist*innen – für die wir uns stets gehalten haben – sind wir für Abrüstung gewesen. Die Politiker*innen sollten mal lieber unser Bildungssystem auf die Reihe bringen, anstatt Geld in Kriegsgerät und Waffen zu stecken. Waffen mit denen Soldat*innen dann unsere so genannte Freiheit am Hindukusch verteidigen. Hindukusch! Wo ist das überhaupt?
Keine Ahnung wie es dem Rest der Welt geht, aber ich gebe offen zu, dass es wohl keine 24 Stunden gedauert hat, bis ich das erste Mal sorgenvoll darüber nachgedacht habe, ob wir diesem verrückten Diktator, mit seinen tausenden von Panzern, wohl etwas entgegenzusetzten haben. Bundeswehr, das war für mich bislang kein Begriff, den ich mit einer schlagkräftigen Armee in Verbindung gebracht habe. Bundeswehr, damit assoziere ich eher nicht fliegende Flugzeuge, nicht fahrende Panzer und nicht schießende Gewehre. Und bis vor wenigen Tage noch, hat mich das eher beruhigt als verunsichert. Soldat*innen zu finanzieren, war schon schlimm genug, da hatte das Wissen, dass diese wenigstens zu schlecht ausgerüstet waren um ernsthaft militärisch zu handeln, beinahe etwas beruhigendes.
Was für ein Opportunist ich doch bin. 100 Milliarden Euro Sondervermögen will die Regierung für die Ertüchtigung unserer Streitkräfte bereitstellen. Und ich zucke nicht mal mit der Wimper angesichts dieser Summe. Ein Blick in die Medien genügt und ich erwische mich sogar bei der Frage, ob das überhaupt ausreichend ist.
Während ich diese ganzen – zu gegeben nicht besonders gut sortierten – Gedanken aufschreibe, erwische ich mich bei dem Wunsch, dass es sich bei der ganzen Sache nur um Propaganda handeln könnte. Wir wissen das in Russland gerade diverse Medien aus- bzw. abgeschaltet werden, um eine objektive Berichterstattung zu verhindern. Wäre es nicht wunderbar, wenn das bei uns auch der Hintergrund wäre? Da gibt es gar keinen Diktator, der versucht Grenzen auf der Landkarte neu zu ziehen. Da gibt es nur, vom allmächtigen Kapitalismus gesteuerte, Propaganda. Gut verstecke Panikmacher, die den kruden Plan verfolgen irgendeine finanzielle Elite – in diesem Fall vermutlich die Rüstungslobby – noch ein bisschen reicher zu machen. Wir bezahlen die Rechnung und dann wird in letzter Minute alles wieder gut.
Wie zynisch man doch werden kann. Da sterben Menschen. Und man sitzt da und wünscht sich eine, für einen selbst möglichst harmlose, Weltverschwörung. Hauptsache man kann von den Realitäten abschweifen. Entstehen so Verschwörungstheorien?
Es ist ernüchternd. Nach zwei Jahren Pandemie, hatte ich auf einen endlich wieder normalen Sommer gehofft. Und jetzt droht eine neue, womöglich wirklich alles verändernde Weltordnung.
Wie verkraftet man das? Wie verkraften Menschen es, von einem auf den anderen Moment ihr gesamtes Leben aufgeben und fliehen zu müssen. Wie verkraftet eine Mutter es, ihr sterbendes Kind aus den Trümmern ihres Hauses zu ziehen? Und wie wird man unter all diesen Einflüssen nicht verrückt?
„Imagen all the people, living life in peace.”